1. Brief an den Unfallfahrer
31.08.2010
Herr ......,
wir haben Respekt davor, dass Sie den Mut und den Willen aufgebracht haben, uns
einen Brief zu schreiben. Die Beileidsbekundungen von Ihnen und Ihren Eltern
nehmen wir an.
Sie bitten uns in Ihrem Brief um Verzeihung und Entschuldigung, aber wir können
Ihnen weder verzeihen, noch eine Entschuldigung annehmen, was für Sie sicherlich
keine Überraschung ist. An den Unfall können Sie sich kaum erinnern, aber die
Ursache des Unfalls, so schreiben Sie selber, ist Ihnen wohl bekannt. Sie haben mit
Ihrem Übermut und durch Ihre Raserei unserer Tochter Michaela das Leben
genommen und damit alle ihre Zukunftspläne zerstört. Michaela wollte ihre Lehre
machen, später eine Familie gründen und Kinder bekommen, sie hatte einfach noch
so viele Wünsche und Träume. Und nicht nur, dass Michaela nicht mehr lebt und
da ist, nein, von diesem Tag an hat sich auch unser Leben und das Leben unserer
ganzen Familie gravierend verändert.
Sie werden wahrscheinlich eines Tages nur noch selten an den Unfall und an
Michaela denken, dafür kannten Sie Michaela ja nur ein paar Stunden. Wir aber
werden an jedem Geburtstag, an jedem Feiertag, wie Weihnachten und Silvester,
bei jeder Familienfeier, unser ganzes Leben lang an sie denken und uns fragen, was
wäre jetzt aus unserer Michaela geworden. Es ist einfach so unfassbar, so
endgültig! Der Gang zum Friedhof kostet uns jedes Mal sehr viel Kraft, wir
ertragen es nur sehr schwer. Jede Unterhaltung führt unweigerlich immer zu
Michaela und dem Unfall, und am Ende steht immer wieder dieses… WARUM !!!
Sie schreiben uns in Ihrem Brief, dass Sie sehr leiden und manchmal nicht ein noch
aus wissen, das können wir nachvollziehen, da es uns auch so geht. Wir sprechen
über diesen schrecklichen Unfall mit einer Therapeutin und werden auch ab
September eine Selbsthilfegruppe „Verwaiste Eltern e.V.“ aufsuchen. Vielleicht
müssten Sie sich auch solche oder ähnliche Hilfe holen, Hilfe von uns können Sie
nicht erwarten.
Wir haben vor kurzem erfahren, dass Sie Ihren Führerschein schon
wiederbekommen haben, dagegen haben wir Einspruch bei der Staatsanwaltschaft
eingelegt. Uns ist bewusst, dass Sie Ihren Führerschein eines Tages
wiederbekommen werden, aber doch nicht schon vor einem Urteil vom Gericht!
Das ist ein Hohn gegenüber unserer toten Tochter Michaela und für uns alle ein
Schlag ins Gesicht.
Dieser Brief wird sich für Sie und Ihre Eltern sehr hart anhören, aber Sie leben und
Ihre Eltern haben ihren Sohn, wir haben unsere Tochter Michaela durch diesen
sinnlosen Unfall für immer verloren!
Für Ihr weiteres Leben können wir nur hoffen, dass Sie diesen Unfall, der mit dem
Tod unserer Tochter Michaela endete, niemals vergessen, Ihr weiteres Leben
danach richten werden und alles mindestens zweimal überlegen, bevor Sie noch
einmal ein Menschenleben auf’s Spiel setzen.
2. Brief an den Unfallfahrer
23.04.2011
Herr ...,
sie haben am 01.08.2010 Ihren 22.Geburtstag erlebt, unsere Tochter Michaela
hatte am 17.04.2011 ihren 20.Geburtstag, den sie wegen Ihnen nicht mehr
erleben dürfte. Wir konnten an diesem Tag nur bei ihr sein, indem wir an ihrem
Grab Blumen niederlegten und uns an vergangene schöne Zeiten mit ihr erinnert
haben. Am 26.04.2011 ist der schreckliche Unfall ein Jahr her und wir können
es immer noch nicht begreifen, dass wir unsere Michaela nie wieder sehen
werden. Das schmerzt so sehr und ist einfach noch immer nicht zu begreifen.
Sie fragen sich jetzt sicherlich, warum wir Ihnen diesen Brief schreiben. Das
sollen Sie auch erfahren. Die Verhandlung am 11.01.2011 in Wolgast war für
uns eine große Enttäuschung. Wir waren enttäuscht von Ihrem Verhalten, eine
persönliche Entschuldigung von Ihnen und ein Eingeständnis Ihrer Schuld wäre
das Minimum gewesen. Durch dieses Verhalten zweifeln wir auch die
Ehrlichkeit Ihres Briefes an. Wahrscheinlich entstand dieses Schreiben auf
anraten Ihres Anwaltes und daher war es nur Taktik, um eine geringere Strafe zu
erwirken. Deshalb kommt bei uns die Vermutung auf, dass der Totalschaden an
Ihrem Auto und der Verlust Ihres Führerscheines für drei Monate mehr wiegen,
als die Tatsache, dass bei diesem Unfall ein Mensch, unsere Michaela, ums
Leben gekommen ist. Wir können Ihnen auch nicht sagen, wie Sie unsere
Meinung und Sichtweise jemals ändern können, der einzige Zeitpunkt war am
Tag der Verhandlung in Wolgast und den haben Sie nicht genutzt.
3. Brief an den Unfallfahrer
08.05.2012
Herr ...,
es sind jetzt 2 lange Jahre vergangen, seid dem schrecklichen Unfalltod unserer
Tochter Michaela, den Sie durch Ihren Übermut und Ihre Überheblichkeit
verursacht haben. Sie fragen sich sicherlich, warum wir Ihnen jedes Jahr einen
Brief schreiben und Sie nicht endlich in Ruhe lassen. Darauf möchten wir Ihnen
gerne in diesem Brief eine Antwort geben.
Unsere Tochter wäre am 17.04. 21 Jahre alt geworden, so alt, wie Sie damals
waren. In diesem Sommer hätte sie ihre Lehre in Ahlbeck beendet. Wir denken
jeden Tag an unsere Michaela und fragen uns immer und immer wieder, warum
musste das passieren. Jedes mal kommen wir auf die gleiche Antwort, der Fahrer
des Autos, nämlich Sie Herr ..., hat die Verantwortung gegenüber seinen
Mitfahrern einfach nicht wahrgenommen, das Leben der anderen Mitinsassen
leichtsinnig auf’s Spiel gesetzt. Es heißt, man müsse Fehler auch mal verzeihen
können, aber diesen Fehler können wir Ihnen nicht verzeihen. Wir müssen mit
unserem Schmerz leben und immer wieder an das schreckliche Ereignis denken.
Und damit kommen wir zum Punkt, warum sollen nur wir und unsere Familie für
immer daran denken müssen. Wir wollen mit unseren Briefen ein eventuelles
Vergessen bei Ihnen ausschließen, denn in unseren Augen haben Sie nicht das
Recht, den von Ihnen verursachten Tod unserer Michaela zu vergessen!
Weitere Briefe folgten nicht, weil der Empfänger für uns unbekannt verzogen ist.